Wie sich Konflikte beim Ausbau der Windenergie verringern lassen
Energie / Windenergie: Konflikte beim Ausbau der Windenergie können verringert werden, wenn die aktuelle Förderpolitik auf Bundesebene und die Gebietsausweisungen vor Ort besser aufeinander abgestimmt würden. So seien bereits ausgewiesene Gebiete für den Ersatz älterer Anlagen durch größere leistungsstärkere, also das sogenannte Repowering, oft nicht geeignet. Um den Ausbau stärker zu fördern als bisher, gäbe es zwei Lösungswege, die parallel genutzt werden können: die Ausweisung zusätzlicher Flächen für die Windenergie und/oder die Neuverortung der bisher ausgewiesenen Flächen in für das Repowering günstigere Gebiete.
Das ist das Ergebnis einer Studie vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) und der TU Berlin. Dabei empfehlen die Forscher jedoch, auch Standorte einzubeziehen, die zwar einen geringeren Energieertrag erbringen, aber dafür weniger Konfliktpotential für die Bevölkerung und den Naturschutz aufweisen.
Die Wissenschaftler haben ein Verfahren entwickelt, das es ermöglicht, die Standorte für Windkraftanlagen zu optimieren. Durch die Kombination von ökologisch-ökonomischer Modellierung und von Befragungen der Bevölkerung stehen nun wissenschaftliche Methoden zur Verfügung, die die Standardinstrumente der Planung wesentlich erweitern und bereichern können. Beispielsweise können sie deutlich machen, was die Volkswirtschaft eine Veränderung des Abstands zu Siedlungen kosten würde oder welche Auswirkungen veränderte politische Energieziele für den Artenschutz hätten.
Ökonomen, Modellierer, Juristen, Informatiker und Landschaftsökologen hatten am Beispiel der Regionen Westsachsen und Nordhessen die Konflikte um den Ausbau der Windenergie untersucht. Um das energiepolitische Ziel zu erreichen, die Menge der erneuerbaren Energie von 2007 bis 2020 zu verdoppeln, müssten die Regionen Westsachsen und Nordhessen rund 690 bzw. 540 Gigawattstunden pro Jahr an Strom aus Windkraft produzieren. Im Rahmen der Untersuchung wurden zur Ermittlung der dafür zur Verfügung stehenden Flächen zwei moderne Typen von Windkraftanlagen mit Gesamthöhen von 105 Meter bzw. 150 Meter berücksichtigt. In der Region Westsachsen stehen der Studie zufolge für den kleineren Anlagentyp theoretisch 14.000 Hektar potenzielle Fläche zur Verfügung, die die gesetzlichen Mindestabstände zu Siedlungen erfüllen. Da der größere Anlagentyp auch größere Abstände zu Siedlungen erfordert, stehen für diesen in Westsachsen theoretisch nur noch 5.200 Hektar potenzielle Fläche bereit. Ähnlich sieht das Potenzial für Nordhessen aus: Dort gibt es theoretisch für die bisherigen Windkraftanlagen 11.000 Hektar Fläche - für neue, größere Anlagen jedoch nur noch 7.400 Hektar.
Gleichzeitig wollten die Forscher wissen, welche Faktoren für die Akzeptanz der Windkraftanlagen bei der Bevölkerung eine Rolle spielen. Am wichtigsten waren den jeweils rund 350 Befragten bei Leipzig und bei Kassel der Abstand zwischen Wohnhäusern und Windkraftanlagen. Für Höhe und Größe der Windparks gab es dagegen keine eindeutigen Ergebnisse. "Die Ergebnisse unserer Befragung zeigen, dass Windkraftanlagen in der Nähe der Wohnung von einem großen Teil der befragten Personen nicht als störend empfunden werden. Die erhobenen Einstellungen spiegeln in beiden Regionen eine eher positive Bewertung der Windenergie wider", berichtet Dr. Jürgen Meyerhoff von der TU Berlin, der die Befragung durchführte. Außerdem wurde von den TU-Wissenschaftlern ermittelt, was die Befragten bereit wären dafür zu zahlen, dass der Abstand von den Anlagen zu Siedlungen gegenüber dem gesetzlichen Mindestwert erhöht wird.
Diese sogenannten Zahlungsbereitschaftsanalysen sind unter Umweltökonomen ein anerkanntes Mittel, um Effekte von Infrastrukturprojekten, die von Märkten nicht erfasst werden wie etwa die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch Windkraftanlagen, herauszufinden . Auf diese Weise lassen sich die Präferenzen der Bevölkerung in Bezug auf diese externen Effekte in volkswirtschaftlichen Berechnungen berücksichtigen. "Ignoriert man die externen Effekte und die diesbezüglichen Präferenzen der Bevölkerung und wählt Standorte nach rein betriebswirtschaftlichen Erwägungen aus, so lassen sich die direkten Kosten der Windstromproduktion zwar verringern. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht, die auch das Wohlbefinden der Bevölkerung einschließt, wäre ein solches Vorgehen jedoch von Nachteil", erläutert Dr. Martin Drechsler vom UFZ.
Der Wunsch der Bevölkerung nach größeren Abständen zu den Windkraftanlagen konkurriert außerdem auch mit dem Naturschutz. Das zeigte sich am Beispiel einer gefährdeten Vogelart: Der Rotmilan (Milvus milvus) gehört zu jenen Arten, die am häufigsten in ihrem Brutrevier mit Windkraftanlagen kollidieren. Gleichzeitig steht die Art unter strengem Schutz da nur noch etwa 15.000 Brutpaare weltweit existieren - davon die Hälfte in Deutschland. Um Kollisionen von Rotmilanen mit Windkraftanlagen sicher ausschließen zu können, müssten die Anlagen mehrere Kilometer vom Horst des Rotmilans entfernt sein. "Ambitionierte energiepolitische Ziele erlauben bei gegebenem Flächenangebot jedoch nicht immer, beide Zielgrößen gleichermaßen zu bedienen. Eine Verbesserung des Rotmilan-Schutzes kann daher oftmals nur bei niedrigeren Abständen zu den Wohnhäusern erreicht werden, da die insgesamt zur Verfügung stehenden Flächen begrenzt sind. In diesen Fällen muss die Gesellschaft entscheiden, welche Ziele vorrangig verfolgt werden sollen", erklärt Dr. Cornelia Ohl, die das Projekt am UFZ geleitet hat. Die neue Methode kann aus Sicht der Wissenschaftler diesen Entscheidungsprozess unterstützen und einen Beitrag zur optimalen Auswahl von Standorten leisten, um die unvermeidbaren Konflikte zumindest zu reduzieren.
Das Projekt "Nachhaltige Landnutzung im Spannungsfeld umweltpolitisch konfligierender Zielsetzungen am Beispiel der Windenergiegewinnung (FlächeEn)" lief von 2007 bis 2010 und wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderschwerpunkts "Wirtschaftswissenschaften für Nachhaltigkeit (WiN)" gefördert.
Quelle:Tilo Arnhold/ Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)