Etikettenschwindel bei Stromtarifen
Energie / Strom: Die meisten Autofahrer hatten es längst geahnt, nach neuen Studien ist es nun auch amtlich: Neuwagen verbrauchen viel mehr Sprit, als die Hersteller in ihren Prospekten offiziell angeben. Was allerdings kaum jemand weiß: Auch bei den Angaben zur Stromherkunft werden Verbraucher zunehmend in die Irre geführt. Dies geht aus einer aktuellen Übersicht 35 großer deutscher Stromanbieter hervor. So weisen die untersuchten Versorger deutlich weniger Kohle- und Atomstrom in ihrem Strommix aus, als sie tatsächlich für ihre Kunden einkaufen. Die Verbraucherzentrale NRW nennt die Stromkennzeichnung deshalb ein "krankes System".
Es sollte das draufstehen, was drin ist
Die Versorger kaufen bis zu 42 Prozent mehr Atom- und Kohlestrom für ihre Kunden, als aus den offiziellen Angaben hervorgeht. Das ergaben Recherchen des Energie- und IT-Unternehmens LichtBlick. "Wir brauchen eine rasche Reform der Kennzeichnung, damit der Etikettenschwindel ein Ende findet", fordert Gero Lücking, Geschäftsführer Energiewirtschaft bei Deutschlands größtem unabhängigen Ökostromanbieter. Auch für Stromprodukte müsse gelten: Es darf nur das draufstehen, was auch drin ist. Nur so könnten Verbraucher Tarife und Anbieter klar unterscheiden.
Stromtarife sehen umweltfreundlicher aus, als sie sind
Ähnlich wie bei der Sprit-Schummelei ist auch beim Strom-Schwindel die Regierung mitverantwortlich, so LichtBlick. Denn der Gesetzgeber verpflichtet Versorger, einen Pflichtanteil von bis zu 46 Prozent Ökostrom auszuweisen - obwohl die Unternehmen diesen subventionierten EEG-Strom tatsächlich nicht für ihre Kunden einkaufen. Der Ökostromanteil ist somit rein fiktiv. Die Folge: Die tatsächliche Menge Atom- und Kohlestrom wird bei vielen Stromtarifen viel zu niedrig angegeben. "Für den Kunden sehen viele Stromangebote deshalb viel umweltfreundlicher aus, als sie sind", betont LichtBlick-Experte Lücking.
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