Wie die Finanzbranche das Vertrauen der Kunden verspielt
Eine Branche verspielt ihren Kredit
Baufinanzierung: So titelt das Magazin „Werben und Verkaufen“ das Thema der aktuellen Woche (5/2008). Subprime-Krise und nun auch noch ein Skandalbanker, der bei Société Générale mal eben fünf Milliarden Euro verzockt. Auch die englische Bank Northern Rock hat Schwierigkeiten und sucht Käufer. Zu viele Freiheiten, keine Kontrollen. Gerade in der Finanzwirtschaft ist das ein Schock.Zudem liest man in der aktuellen Wirtschaftswoche, mit welchen Drücker-Methoden die SEB und die HypoVereinsbank ihre Kunden ausnehmen. Die negativen Schlagzeilen über Finanzdienstleister in den Medien reißen nicht ab. Auch in der Versicherungswelt brodelt es. Nach EU-Vermittlerrichtlinen, VVG, Mifid-Reform und Bafin-Skandal kocht nun ein neues Thema auf: Das Fernseh-Magazin Monitor berichtete darüber, dass die Riester-Rente auf die Grundrente angerechnet wird. Die Fürsten der Finanzwelt (Versicherungen, Finanz- und Wirtschaftsministerium) prangerten danach die Journalisten von Monitor an und bezweifelten deren Professionalität. Dann stellte sich doch heraus, dass es harte Fakten sind. Auch in der Talkshow von Maybrit Illner wurde das Thema mit Norbert Blüm („die Rente ist sicher“) und Finanzberater Bernd W. Klöckner diskutiert.
Viele Finanzdienstleister schweigen, stecken den Kopf in den Sand und beantworten Fragen ihrer Kunden nicht: „Wurde auch mein Hypotheken-Kredit, ohne mein Wissen, an ausländische Investoren weiterverkauft?“ Oder: „Steht eine Zwangsversteigerung an, von der ich noch nichts weiß?“ Viele Kunden sind verunsichert und irritiert. Und die aktuelle Entwicklung verschlechtert noch die Wahrnehmung des Berufsbildes „Finanzdienstleister“. Laut Studie „Trusted Brands“ von Readers Digest rangiert die Vertrauenswürdigkeit von Finanzdienstleistern an fünftletzter Stelle. Vermutlich liegt sie beim nächsten Mal noch hinter Taxifahrern und Bauern
Diese Vorwürfe nimmt die Finanzbranche scheinbar gelassen hin. Beim Crash am schwarzen Montag sind die Börsenwerte von Allianz um 10 Prozent und der deutschen Bank um 7,3 Prozent ins Minus gerutscht. Seit der „Victory“-Geste des Josef Ackermann und der „Peanuts“-Äußerung des ehemaligen Vorstandssprechers Hilmar Kopper hat das Vertrauen in die deutsche Bank arg gelitten. Offene und ehrliche Kommunikation ist das A und O in der Krisenkommunikation. Denken Sie nur an Vattenfall. Immer wieder kamen neue Leichen aus dem Keller. Am Schluss glaubte man keinem der Unternehmenssprecher mehr.
Der Handlungsbedarf in der Finanzbranche ist groß und die Bereitschaft zum Handeln gering. Nico Ziegler, Geschäftsführer der PR-Agentur Fischer-Appelt meint dazu, dass keine andere Branche so sehr auf den geldwerten Vorteil von Presse-Arbeit schiele wie die Banken. Gerade die Branche, die mit Geld wirtschaftet, geizt am meisten mit Marketing-Kommunikation. Dabei ist die Notwendigkeit groß.
Das Urvertrauen in die Finanzbranche wird zerstört. Viele Kunden haben das Gefühl, die ganze Branche habe versagt. Der provisionsbezogene Ansatz vieler Geschäftsführer in der Finanzwirtschaft sorgt für falsche Prioritäten. Durch bewusste Falschberatung (siehe Wirtschaftswoche 06/2008) und Verschweigen von wichtigen Details bringt man emsige Sparer um ihr sauer Verdientes für ihren Lebensabend. Auch häufiges unsinniges Umschichten von Depots zählt dazu. Die ehrliche und professionelle Finanzberatung sollte im Vordergrund stehen und nicht die Frage, wie die Finanzkonzerne noch mehr Gewinne erzielen. Die Banken haben ihre Sanierungen abgeschlossen. Jetzt hadern sie mit anderen Problemen, sie versagen intern: Sie haben den Spieltrieb ihrer Mitarbeiter, die Milliarden verspielen, nicht unter Kontrolle.
Haben Finanzdienstleister nur die Dollarzeichen im Auge? Höchste Priorität haben die Provisionen im Vertrieb. Die Investition in die Markenführung wird vernachlässigt. Viel Potenzial wird damit verschenkt. Hochwertige Finanzmarken sucht man vergeblich. Erst 2007 gelang es der Allianz in den Kreis der Top 100 Marken einzudringen, in die von Interbrand ermittelten „Best Global Brands“. Darin ist die Allianz auf Platz 80, jedoch ist Allianz der fünftgrößte DAX-Wert. Dies ist umso erstaunlicher, wenn man vergleicht, wie andere Branchen mit ihrem Markenwert arbeiten. Andere große DAX-Unternehmen wie Mercedes, BMW und SAP haben längst verstanden, dass sich Investitionen in die Markenpflege in barer Münze auszahlen. Sie investieren in die Markenbildung und profitieren davon. Denn Kunden vertrauen und kaufen eher Marken-Anbietern. Das zeigen aktuelle Untersuchungen aus dem Neuromarketing von Hans-Georg Häusel. Wann wird die Finanzwelt endlich in solide Marketing-Kommunikation investieren?
Viele Menschen fühlen sich beim Thema Finanzen überfordert. Sie verstehen das Fachchinesisch nicht und haben häufig auch keine Zeit, sich damit auseinander zu setzen. Sie verwenden mehr Zeit für den Autokauf als für die geeignete Auswahl der Altersvorsorge. Warum? Weil es einfacher ist, sich mit PS, Verbrauch und Innenausstattung zu beschäftigen. Der Profi kann vom Laien nicht erwarten, dass dieser auf Anhieb versteht, worum es bei Riester und Rürup geht. Verbraucher geben mehr Geld für ihr Auto als für die Altersvorsorge aus, weil sie die Anweisungen auf der Politurflasche verstehen. Daraus resultiert: die Sprache in der Finanzwirtschaft muss vereinfacht werden. Die Commerzbank Studie aus 2004 gilt immer noch. Demzufolge sind wir zum größten Teil ein Volk finanzieller Analphabeten. Nicht jeder kann mit den Fachtermini etwas anfangen. Hier einige Beispiele zum Wissen von Frauen über Geld aus der Commerzbank-Studie „Die Psychologie des Geldes“:
• 75% meiden Geldthemen
• 56% schätzen ihre künftige Rentenhöhe falsch ein
• 63% wissen nicht, was ein Aktienindex ist
Jeder dritte Vermögende in Deutschland misstraut den Banken, so eine aktuelle Studie des Frankfurter Instituts BrandControl, die zweimal jährlich 1000 Wohlhabende befragt. Vertrauen schafft man nur durch offene und aufrichtige Kommunikation. Und durch ehrliche Produkt-Präsentationen, ohne Verschweigen von Nachteilen. Fazit: Trotz Erhöhung des Verbraucherschutzes gibt es noch viel zu tun in der Finanzwelt. Möglicherweise gehen einige Bemühungen in die falsche Richtung. Sicherlich war es gut, mit der Einführung der Riesterrente die Bürger zum Sparen zu animieren. Zu verschweigen, dass die Riesterrente auf die Grundrente angerechnet wird, war jedoch ein gigantischer Fehler. Das Vertrauen in eine machbare und sichere Altersvorsorge sinkt damit weiter. Für weitere Aufklärungskampagnen zur Altersvorsorge ist eine vollständige Aufklärung wichtig und dringend notwendig. Denn es wurde schon genug Porzellan zerschlagen.
Schöne Grüße an die großen Elefanten von Claudia Hilker
Quelle: hilker-consulting.de