Grünen-Fraktionsvorsitzender erstattet Strafanzeige gegen E.ON-Gruppe
Energie / Energie sparen: Mit jeweiligen Schreiben vom 23. März 2009 wurden Strafanzeigen gegen die Verantwortlichen der RWE AG, der RWE Power AG, der RWE Supply & Trading und der RWE Energy AG einerseits sowie der E.ON Ruhrgas AG, der E.ON Energie AG, der E.ON Energy Sales GmbH und der E.ON Energy Trading AG andererseits bei den zuständigen Staatsanwaltschaften erstattet. Das teilte der Vorsitzende des Bund der Energieverbraucher e.V. Dr. Aribert Peters in Düsseldorf mit. Das Verfahren gegen die RWE-Gruppe wird bei der Staatsanwaltschaft Essen unter dem Aktenzeichen 306 Js 101/09 und das Verfahren gegen die E.ON-Gruppe bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf unter dem Aktenzeichen 120 UJs 22/09 geführt.Anzeigenerstatter
Anzeigenerstatter ist Dipl. Finanzwirt (FH) Ansgar Federhen aus Rheinbreitbach, der sich sowohl als Fraktionsvorsitzender der GRÜNEN im Ortsgemeinderat von Rheinbreitbach, als auch als Mitglied beim Bund der Energieverbraucher e. V. schwerpunktmäßig mit der Entwicklung der Strompreise in Deutschland beschäftigt.Gutachten bestätigt Anfangsverdacht
Seine Strafanzeige basieren auf einem Gutachten des Strafrechtsprofessors Dr. Matthias Jahn (Universität Erlangen-Nürnberg), das dieser mit einer sorgfältigen Untersuchung der gesamten Literatur erstattet und auch in der juristischen Fachzeitschrift ZNER (Zeitschrift für Neues Energierecht) veröffentlicht hatte. Prof. Dr. Jahn ist im Nebenamt Richter am Oberlandesgericht Nürnberg. Er kommt zu dem Ergebnis, dass ein „Anfangsverdacht“ wegen Veröffentlichung unrichtiger bzw. irreführender Angaben über die dem Handel zur Verfügung gestellte gesamte Strommenge auf der Homepage der Leipziger Strombörse (EEX), Setzens irreführender Signale durch gezielte Manipulation des EEX- Spotmarktpreises (marking the close bzw. wash sales), sonstiges Täuschen durch gezielte Zurückhaltung eigentlich verfügbarer Stromkapazitäten (sog. cornering) vorliege. Damit gebe es hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Strafbarkeit nach §§ 20a i. V. m. 38 des Wertpapierhandelsgesetzes bzw. nach § 263 Strafgesetzbuch wegen Betruges. Das Gesetz sieht für den Fall, dass sich ein solcher Tatverdacht bestätigt, für die Verantwortlichen Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen vor, erläuterte die Düsseldorfer Rechtsanwältin Leonora Holling.Durchsuchung der Kommission: Eigenhandelsbuch zur Preissteuerung
Anlass für die Anzeige ist die von der Europäischen Kommission bekannt gegebene Einigung der Kommission mit dem E.ON-Konzern über die Veräußerung seines Höchstspannungsnetzes und über den Verkauf bzw. Tausch von zehn Prozent seiner Kraftwerkskapazitäten. Mit diesem „deal“ vermied E.ON den Erlass eines „milliardenschweren“ Bußgeldbescheides, den die Europäische Kommission ansonsten gegen E.ON verhängt hätte. Grund dafür waren von der Europäischen Kommission aufgedeckte Manipulationen der Strombörse EEX in Leipzig durch E.ON-Tochtergesellschaften mittels Kapazitätszurückhaltung, Handelsgeschäfte auf beiden Seiten des Tisches zum Zweck des Hochtreibens der Strompreise und Manipulationen des Regelenergiemarktes. Belegt hatte dies die Kommission in den – nicht öffentlich bekannt gewordenen – „Beschwerdepunkten“ nach der Brüsseler Kartellverfahrensverordnung mit einem Gutachten von London Economics und insbesondere mit Akten, die bei drei Durchsuchungen der Konzernzentralen der vier deutschen Energiekonzerne, insbesondere E.ON, im Jahre 2006 beschlagnahmt wurden.Einen Teil dieser Asservate hatte das Bundeskartellamt für einen Schriftsatz gegenüber dem Oberlandesgericht Düsseldorf ausgewertet, zum Beispiel anhand des „Eigenhandelsbuchs“ von E.ON Sales & Trading (EST) zwecks Herbeiführens von „Preissprüngen“. Sehr aufschlussreich sei beispielsweise die Bemerkung in einem E.ON- Vorstandsprotokoll, dass „ein intensiver Einsatz des SPP- Eigenhandelsbuches zur Initiierung von Marktpreissprüngen und zur Absicherung von Marktpreiseinbrüchen beigetragen“ habe und „wenig Eingriff durch EST notwendig, um Marktpreise auf hohem Niveau zu stabilisieren“. Das erläuterte der an der Leipziger Energiebörse selbst als Händler zugelassene Energieexperte Gunnar Harms, Mitglied des Vorstands des Bundes der Energieverbraucher.
RWE und E.ON verkaufen kaum Strom am EEX Spotmarkt
Die den Anzeigen zu Grunde liegenden Beweistatsachen gründen auf den Erkenntnissen der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission (so auch bereits Berichterstattung in: DER SPIEGEL, Heft 10/2008, S. 76 f.) und dem Sondergutachten „Strom und Gas 2007: Wettbewerbsdefizite und zögerliche Regulierung“ (BT-Drs. 16/7087), den Untersuchungsergebnissen zum Thema „Preismanipulationen an der Strombörse EEX?“ der Monopolkommission sowie einer im Auftrag der EU-Kommission durch das London Economics Institut erstellten Studie zum Thema „Kapazitätszurückhaltung“.Zusätzlich liegen dem Bund der Energieverbraucher e. V. die Daten eines EEX-Insiders zu den Handelsvorgängen in den Jahren 2005 und 2006 vor, die in der Zeitschrift Energiedepesche 1/2008 ausgewertet wurden („Schummel beim Stromhandel“). Sie belegen, dass RWE und E.ON in den Jahren 2005 und 2006 kaum Strom zum Kauf angeboten hatten. Vielmehr war RWE im Jahr 2006 der größte Stromkäufer an der Strombörse.
Schadenersatzansprüche von Verbrauchern
Die durch diese Manipulationen angerichteten Schäden sind exorbitant. Im Jahr 2007 haben die Stromproduzenten z. B. anstelle eines kartellrechtlich allein zu rechtfertigenden, an den Kosten orientierten Preises von 32 EUR wohl mindestens 60 EUR für die Megawattstunde (= 1.000 Kilowattstunden) verlangt und im außerbörslichen Terminmarkt auch erhalten.Der Preis für den Stromterminmarkt orientiert sich am EEX Spotmarktpreis, der durch die Zurückhalten von E.ON und RWE nach oben getrieben wurde. Insgesamt hat allein E.ON im Jahr 2007 dadurch ca. 3,6 Mrd. EUR zuviel erhalten. Aufgrund der den Ermittlungsbehörden nunmehr vorgelegten Beweismittel dürfte sich insoweit dieses Verhalten an der EEX allein für das Jahr 2007 ein Schaden für die Endverbraucher in Höhe von ca. 12,6 Mrd. Euro ergeben. Schadenshöhe: 12,6 Mrd. Euro.
Insoweit bestehen Schadenersatzansprüche der geschädigten Stromabnehmer. Diese Ansprüche hätten alle Stromkunden, also Industriekunden, Stadtwerke und auch jeder Haushalt.
Quelle: Bund der Energieverbraucher